Vorwort

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Geht nich, gibt’s nich 48 Stunden sind ein Tag

Ein Fotofeature von
Beate Nelken

Das Motto der Ausstellung gilt natürlich auch für die Art ihrer Präsentation. Geht nich gibt’s eben nicht. Und deshalb dominieren den Lichthof des Museums für Kommunikation zwei Monate lang zehn überformatige Fotos. Zehn überlebensgroße Frauen, für die es nichts gibt, was nicht geht. Mal streng fordernd, mal grinsend ironisch oder zweifelnd entrückt blicken sie von allen Etagen hinunter auf die Besucher im Erdgeschoss der preußischen PrunkParadebaus.

Für die Berliner Fotografin Beate Nelken war von Anfang an klar, auf wen sie sich da einlassen würde. Solche Frauen hängt man nicht in Zahnarztpraxen auf. Es war anstrengend genug, ihnen einen Tag lang mit der ganzen Fotoausrüstung auf den Fersen zu bleiben. Das verlangt nach einer Entschädigung! Denn auch bei Beate Nelken gibt’s nichts, was nicht geht. Das Museum für Kommunikation ist für die Arbeiten dieser Fotografin, na sagen wir: angemessen.

Morgens vor solchen Frauen aufzustehen, heißt nämlich: vor dem Aufstehen aufzustehen. Nach ihnen ins Bett gehen? Da kann man auch gleich wach bleiben. Mit jeder der Frauen war Beate Nelken einen oder mehrere Tage lang unterwegs. Selten, dass ein Tag bei ihnen einem anderen gleicht. Es sind Meisterinnen der Selbstorganisation, Flexibilitätskünstlerinnen, sie sind Mütter und manchmal nicht, mal unbezwingbar, mal ein Häufchen Elend, sie verfügen über eine ausgezeichnete Selbstironie, in Härtetests erprobter Lebensphilosophie, meisterhaften Humor, sie können feiern wie Amazonen und arbeiten wie eine Männerbrigade! Sie haben sich nicht abgesprochen, sie kennen sich nicht. Und sie würden mit Niemandem tauschen.

Trotzdem können die zehn Fotoserien, der „Geht nich gibt’s nich“-Frauen, die in den Galeriegängen des Museums gezeigt werden, unterschiedlicher nicht sein. Wir haben es mit ausgeprägten Individualistinnen zu tun. Es sind sehr persönliche, unverstellte und authentische Lebensbilder z.B. von der Regisseurin Aelrun Goette, die für ihren Film „Unter dem Eis“ den Grimme Preis 2007 erhalten hat oder Ekin Deligöz, Kinder- und sozialpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Beate Nelken dokumentiert mit ihrem Feature das alltägliche Leben dieser Frauen zwischen Regiestuhl, Wahlkampfpodium und Küchentisch und zeigt weibliche Strategien, Kind und Karriere eigenverantwortlich zu vereinbaren. Das Wort „Doppelbelastung“ wird bei keiner fallen. Geht nich, gibt’s nich!

Auch wenn sie Königinnen sind und sich auch meistens so benehmen, fotografiert hat Beate Nelken sie aus ihrem Beobachtungspunkt auch gähnend, schniefend und mit schiefsitzender Krone. Kurz nach dem Aufwachen, vor der Maske quasi, wohl oder übel schauen sie ins Objektiv oder daran vorbei. Das Ergebnis kommt so authentisch daher, dass man glauben kann, diese Frauen wirklich zu kennen. In ihrem Dasein, ihrer Unverblümtheit, ihrem atmosphärischen Tageslicht, das der Fotografin so heilig war, dass sie es genau so einfing und auf Kunstlicht in jeder Form verzichtete. Dieses Feature ist eine Liebeserklärung an seine Protagonistinnen.

Im Zuge der Ausstellung gibt es eine Veranstaltungsreihe mit Filmen, Lesungen, Gesprächen in denen einige der Protagonistinnen und ihre Arbeiten persönlich vorgestellt werden.

Juliane Voigt